17. Februar, 15:37 Uhr

Ich sitze im ICE nach Paris und draußen zieht eine februargraue, französische Landschaft vorbei.

Die Triefnase mir gegenüber, einen jungen Typ mit Laptop, habe ich links liegen lassen und mich nach eineinhalb Stunden Geschniefe jetzt auf einen freien Doppelsitz gesetzt. Hier könnte ich jetzt in Ruhe weiter dösen. Bin aber nicht mehr müde. Sei’s drum.

Das Handy hab ich auf Flugmodus geschaltet. Keine Ahnung, was das Datenroaming kosten würde. Da bin ich lieber vorsichtig. Gestern habe ich noch mit Babsi das Aldi-Talk-Prospekt in der Hand gehalten und mir gedacht: „Muss ich mich auch mal drum kümmern“.

Babsi hatte in einem Segelbuch gelesen, daß AldiTalk wohl die günstigste Lösung wäre, wenn man viel unterwegs ist. Naja. Muss eben warten, bis ich wieder zuhause bin.

Ich fliege mit 315 km/h Paris entgegen. In einer Stunde bin ich da.

Dann habe ich zwei Stunden Zeit, um vom Bahnhof Paris Est nach Paris Montparnasse zu kommen. Dort fährt mein TGW nach Les Sables-d’Olonne.

In der Pariser Metro

In der Pariser Metro

Und wozu das alles?

Zum Segeln.

Das ist seit langem der Plan. Und jetzt, wo ich mit Babsi endlich die Frau neben mir habe, die meine Segelträume teilen kann, wollen wir auf’s Wasser.

Langfahrt ist der Plan. Wir wollen die Welt sehen. Und wir wollen das nicht alleine tun.

Unser Traum ist ein Katamaran, der genug Platz bietet, um Gäste mitzunehmen, die uns ein Stück des Wegs begleiten wollen.

Ich schaue kurz von meinem Laptop auf und sehe weiterhin die neblig verregneten Wiesen Frankreichs an mir vorbei ziehen und träume mich kurz in eine Karibikbucht.

Unser Kat liegt dort vor Anker. Heute Morgen haben wir uns von einer kleinen Marina aufgemacht und nach drei, vier Segelstunden sind wir hier in der Bucht angekommen. Kristallklares Wasser in dem wir die bunten Fische unter dem Boot durchschwimmen sehen können. Wir dösen in der Sonne, springen ab und zu in das angenehm warme Wasser und freuen uns, den heutigen Sundowner mit unseren lieben Gästen nehmen zu können, die uns noch die kommenden zehn Tage durch die Inselwelt begleiten werden.

„Die Fahrkarten bitte!“ ein gelangweilter Ruf hallt quer durch das Abteil und reißt mich zurück ins triste Mitteleuropa.
Ich erinnere mich, was ich hier mache: ich fahre in den Hafen von Le Sables-d’Olonne und treffe dort Philippe. Er ist Skipper und mit ihm zusammen werde ich die kommenden sechs bis acht Tage einen nigelnagelneuen Katamaran, eine Lagoon 380, von Frankreich durch die Biskaya, die Straße von Gibraltar und dann durch’s Mittelmeer bis zur Charterstation von Sailaegean bringen.

Und das kam so:

Am 24. Januar waren Babsi und ich zusammen auf der BOOT in Düsseldorf. Ein absolutes Muss für Menschen, die auf’s Wasser wollen.

Zwei Tage hatten wir angesetzt und am Abend des zweiten Tages, die Messe und der bleischwere Rucksack machten sich langsam in meinen Beinen und meiner Laune bemerkbar, waren wir kurz vor Toresschluss noch auf dem riesigen Messegelände unterwegs. Gerade überlegten wir, was mit dem Rest-Messetag noch anzufangen sei und ich war drauf und dran, den Heimweg ins Hotel anzutreten, da meinte Babsi aus einem spontanen Gefühl heraus: „Komm, wir laufen noch mal durch die Touristik-Halle!“

Ungläubig schaute ich sie an und stellte fest, daß sie das durchaus ernst meinte. Ich kenne Babsis spontane Eingebungen. Sie stellen sich eigentlich immer als prophetische Geistesblitze heraus. Schon oft sind aus genau diesen Bauchentscheidungen tolle Erlebnisse entstanden.

Also auf in die Touristik-Halle!

Die Gänge hatten sich bereits geleert und außer dem Standpersonal waren kaum noch Menschen in den Messehallen unterwegs. Den meisten Mitarbeitern auf den Standen sieht man den Messetag und die Freude auf den nahen Feierabend wirklich an.

Im griechischen Bereich der Halle steht ein sympathische Mann mit Vollbart und schaut uns schon von weitem entgegen. Als wir nah genug gekommen sind kommt er einen Schritt auf uns zu und spricht uns an: „Have you ever been in greece?“
Ich nicke und erzähle schmunzelnd in kurzen Worten von meinem Segelten unter Motor im Jahr 2009. Wir kommen ins Gespräch. Sein Name ist Aris und er steht hier für sein Charterunternehmen Sailaegean. Sie verchartern auch Katamarane. Das macht uns hellhörig!

Katamarane? Und wie ist das so? Was kostet es, so einen Kat zu chartern? Welche Modelle hat er denn?

Aris erzählt uns, das er gerade dieses Jahr einen neuen Lagoon 380 gekauft habe und ich frage, ohne es allzu ernst zu meinen und in bröckeligem Englisch: „Und wer bringt den nach Griechenland?“.

Und plötzlich bist Du Teil von etwas

Was er als nächstes sagt, lässt mich schlagartig meine Müdigkeit und den schweren Rucksack vergessen: „We transfer it this February. Do you wanna come with us?“

Ohne zu überlegen nicke ich begeistert und Aris nimmt meine Visitenkarte entgegen mit dem Versprechen, sich in den nächsten Tagen bei mir zu melden, um mir die Details des Törns zu erklären.

„Wahnsinn!“ denke ich noch. Ohne genau zu realisieren, was ich da eigentlich grade vereinbart habe.

Ein paar Tage später, wir sind wieder zurück in Groß-Gerau und der Werbetechnik-Alltag hat mich wieder im Griff, trudelt die Mail von Aris ein.

In zwei Wochen sei die Übergabe und ob ich es denn wirklich ernst gemeint hätte, als ich sagte, ich wolle sie begleiten.
Immer noch etwas ungläubig zeige ich Babsi die Mail und schreibe gleich die Antwort: Klar hab ich’s ernst gemeint. Ja, ich möchte bitte weitere Infos. Nein, ich bin noch kein erfahrener Segler. Eigentlich eher beweglicher Ballast. Aber ich wolle gerne alles tun, was mir gesagt wird und mich möglichst nutzbringend an dem Törn beteiligen. Könne aber nur etwa eine Woche dabei bleiben und ob das ein Problem wäre.

Die Reaktion kommt am nächsten Tag: Das sei kein Problem, schreibt Aris, und er schicke mir die Daten von Philipp, dem Skipper, damit wir beide einen Treffpunkt vereinbaren können.

Babsi hatte sich bereits in Düsseldorf angeboten, das Firmentelefon zu übernehmen, weil sie sowieso in dieser Zeit zuhause sei. Sie freut sich für mich. Ja kann denn das alles die Wahrheit sein?

Mittlerweile ist es 16:35 Uhr. In einer Viertelstunde bin ich in Paris. In sechs Stunden bin ich am Atlantik. Und eine halbe Stunde später stehe ich wahrscheinlich auf einem Katamaran, der mich durch die Biskaya bringen wird. Im Februar. Genau die Jahreszeit, vor der alle Webseiten warnen.

Ich bin gespannt!

Lies hier, wie es weitergeht.

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