Sonntag, 02. April 2017 – Ankunft auf der Marlin

„Ist hier noch frei?“

Die junge Frau blickt kurz von ihrem Smartphone hoch und nickt lächelnd. Dann widmet sie sich wieder dem Inhalt des kleinen Bildschirms.

Ich verstaue meine Jacke oben im kleinen Gepäckfach und stelle meine Laptoptasche vor meinen Sitz. Als ich in den Sitz sinke, bemerke ich, wie schwer meine Augen sind. Es ist eine halbe Stunde nach Mitternacht. Der doppelstöckige Flixbus ist bis auf den letzten Platz ausgebucht. Vor meinem Sitzplatz gleitet das nächtliche Darmstadt vorbei und wir fahren in Richtung Autobahn. Als ich die Augen schließe, lächle ich in mich hinein. Ich bin unterwegs. Ein spontaner Segeltrip auf einem sehr außergewöhnlichen Schiff.

Aber von Anfang: Als ich letzten Mittwoch das Interview mit Michael Wnuk führte, spielte wieder mal die Technik verrückt. Unser hartnäckiges Audioprobleme erschwerte auch dieses Mal wieder die Aufzeichnung unseres Gesprächs. Immer öfter mischten sich Störungen und Kratzgeräusche in unsere Sprachaufzeichnung und ein flüssiges Gespräch kam so nicht zustande. Nach einer halben Stunden beschlossen wir, es für dieses Mal bleiben zu lassen. Ich kapitulierte vor der Technik. Peinlich berührt fragte ich Michael, ob wir das Interview vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt nachholen könnten, als Michael mich schmunzelnd fragte: „Eric, wie spontan bis Du denn?

Verdutzt schweige ich einen Moment bevor ich antworte. „Normalerweise bin für viele Späße zu haben. Warum die Frage?“

Michael erzählt mir, daß er am kommenden Sonntag, also in vier Tagen, für einige Tage mit seinem neuen Bootsjungen Tobias in die dänische Südsee fahren wollte, um ihm das Schiff zu zeigen und ihn mal mitsegeln zu lassen. Wenn ich wollte, könnte ich die beiden begleiten und dann das Interview live nachholen.

Ein kurzer Blick in den Kalender zeigt: Das könnte klappen!

Am gleichen Abend sage ich zu und sitze jetzt also am Sonntag Morgen um halb eins im Bus auf dem Weg nach Hamburg. Der Zug bringt mich von dort nach Flensburg und um elf Uhr zücke ich am ehemaligen Fährsteg des Ostseebad Flensburg mein Handy um Michael zu erreichen.

Etwa hundert Meter von Steg entfernt schwoit die Marlin vor Anker in der Förde.

„Alles klar. Ich hol Dich!“, es klickt in der Leitung und einige Minuten später löst sich das knallrote Dinghy „MayaLena“ vom Heck der Yacht und Michael Wnuk rauscht heran.

Gemeinsam knattern wir auf das 60 Fuß messende Langfahrtschiff zu, das in sich in Feuerwehrrot vom graublauen Wasser der Flensburger Förde abhebt.

Der Skipper weist mir meine Kabine zu und bei einem Glas Tee plaudern wir über sein Schiff und die kommenden Tage.

Wenig später trifft dann auch Tobias, der Schiffsjunge und Helfer der Marlin, am Steg ein und Michael holt auch ihn ab.

Die anschließende Sicherheitseinweisung ist obligatorisch und ich lerne die Aluminiumyacht besser kennen:

  • Feuerlöscher
  • Schapps und Bilge
  • Motor
  • Bäder und Dusche
  • Toiletten
  • Notausschalter
  • Navigation
  • Funk und sonstige Kommunikation

Dann verteilen wir uns gleichmäßig im Schiff: Tobi erhält die untere Stockbettkoje, ich die Obere der Backbordkabine. Michael schläft in der Steuerbordkabine. Auch oben.
Wir beschließen, gleich loszufahren. Unter Segeln geht es zunächst raumschots mit ausgestelltem Großsegel die Flensburger Förde hinaus. Die Marlin hat heute zwei neue, knallrote Bullenstander erhalten, die über zwei Blöcke aus dem Cockpit gefahren werden können. Vorher gab es nur einen, der dann nach der Halse gewechselt werden musste.

Von Anfang an stellt Michael Wnuk klar: „Ihr beiden werdet das Schiff führen. Ich schau Euch dabei nur auf die Finger und greife nur ein, wenn es nötig sein sollte.“

Tobi und ich wechseln uns am Ruder ab und wir beginnen, die Marlin kennen zu lernen. Am Ende der Flensburger Förde biegen wir links in die Sønderborg Bugt und kurz vor Sønderborg fällt der Anker für die Nacht in Vemmingbund.

Tobias und ich stehen am Bug und lassen den mächtigen ROCNAR und hinter ihm dreißig Meter Kette aus dem Kettenkasten rauschen. Dann zur Entlastung der Ankerwinsch einen Tampen, der mit einem Haken in die Kette eingehängt wird und dann die entspannte Kette gegen die Bugklampe sichert.

Tobias geht zurück ins Cockpit und kuppelt den Motor in Rückwärtsfahrt ein um den Anker im Untergrund einzugraben.

Dann passiert etwas, was Michael in den vielen Jahren mit der Marlin noch nicht erlebt hat: der Anker scheint über den Grund zu schliddern. Kaum möglich beim weichen Sand-Schlick-Gemisch des Ostseebodens.

Bootsjunge Tobias klart das Deck auf

Bootsjunge Tobias klart das Deck auf

Als der Anker nach weiterer Rückwärtsfahrt dann doch noch greift, aktiviert Michael zur Sicherheit zum ersten Mal überhaupt die Ankerwache des AIS-Systems.

Tobi und ich klaren das Deck der Marlin auf und Michael kocht ein Putencurry, das uns einen guten Vorgeschmack auf die Kulinarik der kommenden Tage gibt.

Müde falle ich um zehn Uhr in meine Koje.

Montag, 03. April 2017

Ein Stück Weidezaun hat sich in den ROCNA verklemmt

Ein Stück Weidezaun hat sich in den ROCNA verklemmt

Um sieben geht es aus dem Bett, der Stromgenerator brummt und Michael steht bereits in der Kombüse und bereitet ein fulminantes Frühstück: frische Brötchen, Rührei, Wurst und Käse, Kaffee oder schwarzen Tee, Marmelade, Nutella und Honig. Lecker.

Beim Heben des ROCNAR erkennen wir das Problem von gestern Abend: Ein Stück Holz hat sich quer vor den Anker gelegt und ihn am Eingraben gehindert.

Kong Christian den X’s Bro in Sønderborg

Kong Christian den X’s Bro in Sønderborg

Wir fahren unter Motor am Schloss von Sønderborg vorbei in das Hafenbecken vor der Kong Christian den X’s Bro, der Stabbogenbrücke über den Alsensund. Kurz darauf bemerkt und schon der Brückenwärter und kündigt über die Anzeigetafel elf Uhr als Öffnungszeit an. Eine Viertelstunde stellen wir die Marlin in den Wind und warten, bis ein Tonsignal und die rot blinkende Ampel die baldige Öffnung der Durchfahrt ankündigt. Weiter geht es unter der Alssundbroen und durch den Als Sund und dann Richtung Westen in den Als Fjord. Kurze Zeit später biegen wir links ab in den Stegsvig in Richtung Dyvig.

Ein Träumchen in Dänisch: Die Marlin in der Dyvig

Die sehr schmale und sehr flache Einfahrt in die um diese Jahreszeit noch ruhige und malerische Bucht nehmen wir mit vorsichtigen zwei Knoten Fahrt. Tobias führt die Marlin sicher an ihren Ankerplatz und bereits um 13:00 Uhr fällt der Anker und hält diesmal problemlos. So ist es Michael Wnuk von seinem ROCNA gewöhnt.

Er kocht uns eine Kürbissuppe zu Mittag und Abends gibt es dann Thunfisch mit Reis und Gemüse.

Zwischendurch lassen wir noch das Dinghy zu Wasser und klemmen den kleinen Außenborder an, den auch Tobias fahren darf. Obwohl er sich schon sehr sicher auf Segelbooten bewegt und auch die Marlin schon sehr gut beherrscht, hat er noch keinen Bootsführerschein und darf den großen Motor der MayaLena mit seinen 35PS nicht fahren. Er tuckert los und macht eine Exkursion ins nahe gelegene Mjels Vig.

Michael und ich nutzten die Ruhe und machen das Interview, das letzte Woche wegen der Technikprobleme nicht klappen wollte. In aller Ruhe unterhalten wir uns über eine Stunde und lassen Kamera und Mikrofon mitlaufen.

Dienstag, 04. April 2017

Spiegelglatte Dyvig in der Morgensonne

Spiegelglatte Dyvig in der Morgensonne

Ein Blick auf die Wettervorhersage zeigt, daß an Segeln heute nicht zu denken ist. Bei strahlend blauem Himmel kommen höchstens sechs, sieben Knoten Wind auf. Eindeutig zu wenig, um die siebenundzwanzig Tonnen der Marlin anständig in Wallung zu bringen. Wir beschließen, den heutigen Tag in der lauschigen, einsamen Umgebung zu verbringen. Hin und wieder passieren uns Schiffe auf deren Weg in den kleinen Yachthafen am Ende der Dyvig-Bucht.

Michael unternimmt eine Tour in der frühlingskalten Dyvig

Michael unternimmt eine Tour in der frühlingskalten Dyvig

Michael pumpt sein StandUp-Board auf und wagt sich damit auf eine Rundfahrt durch die Bucht und in die umliegenden Gewässer. Später nehmen Tobi und ich das Board von Michael mit dem Dinghy in Schlepp und wir fahren zu dritt zum gegenüber liegenden Strand. Unser Skipper möchte testen, ob er sich auf seinem SUP von seinem Kite schleppen lassen kann.

Frühlingssonne über der Dyvig

Frühlingssonne über der Dyvig

Mehr als ein paar Achten kommen aber wegen des immer schwächer werdenden Winds nicht zustande und so liegen wir bald zu dritt im Ufergras und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein.

Zurück auf unserem schwimmenden Zuhause gibt es Spaghetti mit einer würzigen Tomaten-Gemüse Salsa und wir besprechen den weiteren Tag: Da morgen wieder anständiger Segelwind mit bis zu 20 Knoten vorhergesagt sind, wollen wir den Tag zu segeln nutzen. Wir werden also heute Nachmittag die Marlin unter Motor durch die Sunde zurück bis hinter Sønderborg bringen, dort ankern und morgen durch die Flensburger Förde bis zum ursprünglichen Ankerplatz segeln. Da ich spätestens um fünf am Flensburger Bahnhof sein muss, um meinen Zug nach Hause zu bekommen, wollen wir morgen früh starten um genug Zeit zum Segeln zu haben.

Tobi und ich wechseln uns beim Führen des erfahrenen Langfahrtschiffs ab, auf dem der Skipper bereits über 35.000 Seemeilen gefahren ist.

Abends erreichen wir unseren Übernachtungsplatz im Hørup Hav und geniessen dann ein weiteres Highlight aus Michaels Kombüse: Lamm in Rahmsoße mit Zuckerschoten und Brokkoli und angeschwenkten Kartoffeln. Müde und zufrieden fallen wir danach ins Bett, denn morgen soll es früh los gehen.

Mittwoch, 05. April 2017 – Mit Marlin zurück nach Flensburg

Wie angekündigt sind wir heute bereits um sechs Uhr auf den Beinen, denn wir wollen den Motor heute möglichst nicht mehr als nötig benutzen. Die Sonne hat sich zwar bis auf weiteres für heute verzogen, aber mit den Wolken kam auch ein schöner Segelwind auf.

Also heißt es heute ein letztes Mal: „Anker auf!“ und der mächtige ROCNAR rattert an seiner Edelstahlkette zurück an den Bug der Marlin und spielt blank schimmernd die Galeonsfigur.

Kurz geht es unter Motor zurück aus dem Hørup Hav in die Sønderborg Bugt und von dort in die Flensburger Förde.

Der Wind aus West bläst uns hier genau auf die Nase und wir kreuzen dagegen an. Hoch am Wind machen wir Meilen gut und die Marlin legt sich lustvoll auf die Seite. Bei jeder Wende scheint sie sich auf die erneute, sanfte Schräglage zu freuen und Tobi und ich haben viel Freude beim Führen des Schiffs unter den routinierten und wachsamen Augen des erfahrenen Skippers.

Als wir schließlich mit Kurs Südwest genau auf Flensburg zuhalten erwischt uns der auffrischende Wind mit Böen bis 30 Knoten, die sogar die Reling der Marlin ins Wasser tauchen. Unser unsicherer Seitenblick auf den zufrieden schmunzelnden Michael verrät: er hat alles im Griff und die Marlin verträgt durchaus mehr. Für uns zwei „Segelschüler“ ein Anlass, auch bei diesen Verhältnissen die Marlin in die Hand zu nehmen und diesen großartigen Segeltag fulminant zu beschließen. Erst gegen Ende rollen wir die Fock ein wenig weg und fieren die Großschot, damit uns die immer stärker einfallenden Böen nicht in den Wind schießen lassen.

Wir sind flott voran gekommen und uns allen bleibt genug Zeit, die Marlin ordentlich aufzuklaren und für den nächsten Einsatz vorzubereiten.

Schweren Herzens verabschiede ich mich um vier Uhr von Tobi und Michael, die mich in den letzten vier Tagen so freundschaftlich auf ihrem Schiff mitgenommen haben. Doch ich weiß: spätestens wenn Babsi und ich unsere eigene Langfahrt-Yacht haben, werden wir Michael, Tobi und die Marlin wieder besuchen, denn dann habe ich in ihm den richtigen Spezialisten, der uns mit viel Erfahrung beim Ausstatten unseres Schiffs helfen wird.

Ich freue mich drauf!

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